Heilung von Geburtsfehlern der Gemeinschaftsordnung

Regelungen der Teilungserklärung bzw. der Gemeinschaftsordnung bestimmen den Inhalt des Wohnungseigentums und werden daher im Grundbuch eingetragen. Der Erwerber von Wohnungseigentum, der schließlich nicht zum Erwerb gezwungen ist, tritt somit freiwillig in die Regelungen der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung ein.

In der Praxis erweisen sich indes vielfach Regelungen der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung als verfehlt und können zu einer nicht unerheblichen Benachteiligung einzelner Wohnungseigentümer führen. Ob und wie der einzelne Eigentümer eine Änderung verfehlter Regelungen der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung herbeiführen kann, hat der BGH in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung ausgeführt (BGH, Urt. v. 22.3.2019, Az. V ZR 298/16).

 

Der Fall:

E ist Eigentümer des Teileigentums an einer Garage, mit dem das Sondernutzungsrecht an 18 weiteren Räumen verbunden ist, die in der Teilungserklärung  als „Wasch- und Trockenräume“ bezeichnet werden. Tatsächlich handelt es sich bei diesen Räumen aber um Wohnungen, die bereits bei der Herstellung des Gebäudes als solche errichtet und auch langjährig zu Wohnzwecken genutzt wurden. Die „Falschbezeichnung“ wurde gewählt, da seinerzeit eine Wohnnutzung baurechtlich noch nicht vorlag. Nachdem E die entsprechende Genehmigung erlangt hat, verlangt er von den übrigen Wohnungseigentümern, einer Änderung der Teilungserklärung dahingehend zuzustimmen, dass die Räume nunmehr als „Wohnräume“ deklariert werden. Da die übrigen Eigentümer sich weigern, klagt E auf Zustimmung zur Änderung der Teilungserklärung.

 

Das Problem:

Zunächst ist problematisch, dass eine Änderung der Teilungserklärung grundsätzlich einen Eingriff in die sachenrechtlichen, im Grundbuch eingetragenen Grundlagen der Wohnungseigentümergemeinschaft darstellt. Hinzu kommt, dass sich beim Erwerb jeder Wohnungseigentümer freiwillig den Regelungen der Teilungserklärung unterwirft. So stellt sich zudem die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der einzelne Eigentümer überhaupt nachträglich von seinen Miteigentümern eine Änderung der Teilungserklärung verlangen kann.

 

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH gibt dem Kläger Recht. Diesem stehe ein aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG folgender, gegen alle übrigen Eigentümer gerichteter Anspruch auf Änderung der Nutzungszweckbestimmung der streitgefangenen Räume zu.

Die Regelung des § 10 Abs. 2 S. 3 WEG gewährt jedem Eigentümer einen Anspruch darauf, dass eine Vereinbarung angepasst wird, wenn deren Anwendung einen Wohnungseigentümer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls sowie unter Berücksichtigung auch der Interessen der übrigen Eigentümer unbillig benachteiligt, was der BGH hier annahm. Dabei ist die Regelung ausdrücklich nur auf Vereinbarungen anwendbar, d.h. solche Rege-lungen, die das Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer untereinander regeln.

Eingriffe in die Teilungserklärung, werden hierdurch zwar nicht gedeckt, indes handele es sich bei der Bezeichnung der Räume lediglich um eine Nutzungszweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter.

Zwar sei die verfehlte Regelung von Anfang an in der Teilungserklärung enthalten gewesen, für die Geltendmachung des Anspruchs aus § 10 Abs. 2 S. 3 WEG bedürfe es aber nicht einer nachträglichen Änderung der Verhältnisse; auch die Behebung anfänglicher „Geburtsfehler“ der Teilungserklärung sei möglich.

 

Praxis-Tipp:

Wichtig für die Praxis ist, dass nur Vereinbarungen (wozu auch die Nutzungszweckbestimmung gehört) einer nachträglichen Änderung durch neuerliche Vereinbarung, auch freiwillig, zugänglich sind. Änderungen der sachenrechtlichen Grundlagen sind hin-gegen auch freiwilligen Vereinbarungen entzogen. Der Verwalter von Wohnungseigentum hat dies besonders zu beachten, insbesondere dann, wenn die Wohnungseigentümer Verschiebungen zwischen dem Sonder- und dem Gemeinschaftseigentum vornehmen wollen.