Kein Widerrufsrecht des Mieters bei Zustimmung zur Mieterhöhung

Gem. § 312 Abs. 4 BGB steht einem Verbraucher, der einen sog. Fernabsatzvertrag mit einem Unternehmer abschließt, ein gesetzliches Widerrufsrecht binnen einer Frist von 14 Tagen ab Vertragsschluss zu.

Fernabsatzverträge sind dabei Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden und eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben, wobei für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich sog. Fernkommunikationsmittel verwendet werden (also Briefe, Telefonanrufe, Telefax, E-Mail, SMS etc.).

Wird der Verbraucher nicht gem. §§ 355, 356 BGB i.V.m. Art. 246, 246a EGBGB regelgerecht über das ihm zustehende Widerrufsrecht belehrt, verlängert sich die Widerrufsfrist von 2 Wochen um 1 Jahr auf 1 Jahr und 2 Monate.

Ob diese Vorschriften auch ohne weiteres im Mietrecht anwendbar sind, hat der BGH in einer aktuellen Entscheidung geklärt (BGH, Urt. v. 17.10.2018 - VIII ZR 94/17).

 

Der Fall:

Vermieter V bittet Mieter M schriftlich um Zustimmung zu einer (berechtigten) Anpassung der Miete der von M angemieteten Wohnung an die ortsübliche Vergleichsmiete. M erteilt die Zustimmung und zahlt 1 Jahr lang die erhöhte Miete. Schließlich erklärt er den Widerruf der Zustimmung zur Mieterhöhung und fordert die gezahlte erhöhte Miete zurück.

 

Das Problem:

Gem. § 312 Abs. 4 BGB ist das Widerrufsrecht des Verbrauchers grundsätzlich auch auf Mietverträge anzuwenden, sofern der Vermieter Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist. Unternehmer ist jede natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (also typischerweise gewerblich handelnde Vermietungsgesellschaften, Genossenschaften, private Großvermieter, etc.). Der Mieter einer Wohnung ist dabei regelmäßig Verbraucher.

Hinzu kommt, dass die Zustimmung zur Mieterhöhung in der Regel nur schriftlich, also im Sinne eines Fernabsatzgeschäfts zustande kommt.

Fraglich ist aber, ob die Regelungen des Verbraucherwiderrufs hier tatsächlich anwendbar sind.

 

Die Entscheidung des BGH:

Entgegen einer in Rechtsprechung und Literatur vertretenen Rechtsmeinung (vgl.: LG Berlin, Urt. v. 10.3.2017 - 63 S 248/16) ist der BGH der Auffassung, dass der Verbraucherwiderruf nicht auf die Zustimmung des Wohnraummieters zur Anpassung der Miethöhe an die ortsübliche Vergleichsmiete anwendbar ist.

 

Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstreckt das Widerrufsrecht zwar auf "Verträge über die Vermietung von Wohnraum". Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift jedoch ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach  den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist.

Dies folgt aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.

 

Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung soll Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden.

 

Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung.

Gemäß § 558a Abs. 1 BGB ist das (in Textform zu erklärende Mieterhöhungsverlangen vom Vermieter zu begründen.

Damit soll dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen. Schon dadurch kann der Mieter seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden.

 

Außerdem räumt das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieterhöhungsverlangens auf Erteilung der Zustimmung klagen kann (§ 558b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überlegungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit ist bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn  und Zweck der verbraucherschützenden Regelungen für Vertragsabschlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.