Der Anspruch auf Korrektur der Niederschrift der Eigentümerversammlung - Durchgreifende Änderungen durch das WEMoG

1. Die Niederschrift der Eigentümerversammlung

 

Gem. § 24 Abs. 6 S. 1 WEG ist über die in der Versammlung gefassten Beschlüsse unverzüglich eine Niederschrift (üblich ist die Bezeichnung „Protokoll“) aufzunehmen. Dabei handelt es sich um eine Verpflichtung des jeweiligen Versammlungsleiters, in der Regel (aber nicht zwingend) der Verwalter.

Diese Niederschrift ist gem. § 24 Abs. 6 S. 2 WEG von dem Vorsitzenden und einem Wohnungseigentümer und, falls ein Verwaltungsbeirat bestellt ist, auch von dessen Vorsitzenden oder seinem Vertreter zu unterschreiben.

Da die Eigentümerversammlung keine „allgemeine Austauschrunde“ darstellt, sondern der Beschlussfassung dient, ist grundsätzlich lediglich ein sog. Beschlussprotokoll zu führen, dass die Beschlussgegenstände, die gestellten Anträge, das Abstimmungsergebnis und die Verkündung durch den Versammlungsleiter enthält. Zu protokollieren sind im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung allerdings auch außerhalb einer Beschlussfassung abgegebene rechtserhebliche Erklärungen (wie z.B. die Erklärung des soeben gewählten Verwalters, die Wahl anzunehmen).

Die Wortbeiträge einzelner Teilnehmer sind somit ebenso wenig wie „Lappalien“ oder sonstige Vorkommnisse ohne Auswirkung auf das Beschlussergebnis in die Niederschrift der Eigentümerversammlung aufzunehmen (vgl.: LG Hamburg, Urt. v. 31.8.2012 - 318 S 8/12, ZMR 2013, 63; LG Hamburg, Urt. v. 27.6.2012 - 318 S 196/11, ZMR 2013, 62).

 

2. Zu berichtigende Fehler der Niederschrift

   
Bei der Fertigung der Niederschrift der Eigentümerversammlung können stets Fehler auftreten.

Fraglich ist mit Blick auf das o.G., ob diese in jedem Fall einen Anspruch auf Berichtigung des Protokolls auslösen.

 

a) Fehlerhafte Wiedergabe einer korrekten Beschlussverkündung

 

Beispiel 1:

Versammlungsleiter V verkündet in der Eigentümerversammlung korrekt, dass beschlossen wurde, die Fa. X mit der Treppenhausreinigung zu beauftragen.

 

Bei der Fertigung des Protokolls schreibt er versehentlich, dass die die FA. Y beauftragt wurde.

Da es für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss zustande gekommen ist, ausschließlich auf die Verkündung durch den Versammlungsleiter ankommt, ist, wenn unstreitig ist, dass der Beschluss korrekt verkündet, aber nur falsch protokolliert wurde, die Erhebung einer Beschlussanfechtungsklage nicht notwendig; das Protokoll ist schlicht zu berichtigen (vgl.: BGH, Beschl. v. 23.8.2001 - V ZB 10/01, ZMR 2001, 809).

 

 

 

 

 

 

 

 

 

b) Korrekte Wiedergabe einer fehlerhaften Beschlussverkündung

 

Beispiel 2:

Versammlungsleiter V verkündet in der Eigentümerversammlung, dass beschlossen wurde, die Fa. X mit der Treppenhausreinigung zu beauftragen und schreibt dies auch so ins Protokoll.

 

Tatsächlich hat sich V bei der Stimmauszählung geirrt und versehentlich die Enthaltungen als Ja-Stimmen gezählt. Bei korrekter Auszählung hätte V die Ablehnung des Beschlussantrags verkünden müssen.

Da es für die Frage, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss zustande gekommen ist, ausschließlich auf die Verkündung durch den Versammlungsleiter ankommt, ist ein -wenn auch fälschlicherweise- als zustande gekommen verkündeter Beschluss mit dem (falsch) verkündeten Inhalt wirksam.

Da das Protokoll dies so wiedergibt, ist das Protokoll nicht falsch und kann auch nicht „berichtigt“ werden. In diesem Fall ist Beschlussanfechtungsklage zu erheben (vgl.: BGH, Beschl. v. 23.8.2001 - V ZB 10/01, ZMR 2001, 809).

 

c) Wiedergabe eines unbeachtlichen Fehlers

 

Beispiel 3:

Versammlungsleiter V verkündet in der Eigentümerversammlung, dass mit 50 Ja-Stimmen bei 5 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen beschlossen wurde, die Fa. X mit der Treppenhausreinigung zu beauftragen und schreibt dies auch so ins Protokoll.

 

Tatsächlich hat sich V bei der Stimmauszählung geirrt und versehentlich die Nein-Stimme des Eigentümers E als Enthaltung gezählt. Bei korrekter Auszählung hätte V aber gleichwohl das Zustandekommen des Beschlussantrags verkünden müssen.

Das für die Geltendmachung eines Protokollberichtigungsanspruchs grundsätzlich notwendige

Rechtsschutzinteresse ist nur gegeben, wenn sich die Rechtsposition des Anspruchstellers durch die begehrte Änderung verbessern oder zumindest rechtlich erheblich verändern würde.

Das notwendige Rechtsschutzbedürfnis für eine Korrektur des Ergebnisses der Stimmauszählung fehlt also immer dann, sich Fehler der Stimmauszählung (wie hier) nicht auf das Beschlussergebnis auswirken können (vgl.: LG Frankfurt/M. v. 11.10.2017 - 2-13 S 107/17, ZMR 2018, 354; LG Stuttgart, Urt. v. 5.8.2015 - 10 S 10/15, ZMR 2015, 885; Bärmann/Roth, WEG, 14. Aufl. 2018, § 46 Rn. 24).

 

d) Wiedergabe rechtswidriger Äußerungen

 

Beispiel 4:

Versammlungsleiter V vermerkt im Protokoll der Eigentümerversammlung zum TOP Sonstiges:

„Aus dem Kreise der Eigentümer wird geäußert, dass sich diese das querulatorische Verhalten  des Eigentümers E nicht weiter bieten lassen wollen. Man wolle prüfen lassen, ob insoweit Schadensersatzansprüche gegen E geltend gemacht werden können.“

Eigentümer E, der ständig Prozesse gegen die Gemeinschaft führt, fühlt sich in seiner Ehre angegriffen, erniedrigt und herabgewürdigt. Er verlangt die Streichung der Passage aus dem Protokoll.

Zwar sind Wortbeiträge der Eigentümer, wenn sie für die Beschlussfassung nicht rechtserheblich sind, grundsätzlich nicht in das Protokoll aufzunehmen. Die Aufnahme weitergehender Inhalte liegt aber im Ermessen des Protokollführers.

Werden allerdings weitergehende Aufzeichnungen angefertigt, was vereinbart oder beschlossen werden kann, so sind diskriminierende oder beleidigende Äußerungen ebenso wie herabsetzende Wertungen nicht zu protokollieren (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 5.12.1989 - BReg 2 Z 121/89, WuM 1990, 173; LG Hamburg, Urt. v. 18.8.2010 - 318 S 168/09, ZMR 2011, 664).

 

Allerdings stellt nicht jede Kritik einen Angriff auf die Ehre dar. Da subjektiven Werturteilen und Meinungen verfassungsrechtlich ein weiter Freiraum gewährt wird, ist dieser erst überschritten, wenn ein abwertendes Urteil zur bloßen Schmähung herabsinkt, die jeden sachlichen Bezug zu dem vertretenen Standpunkt des Kritikers vermissen lässt (vgl.: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.9.2000 – I-15 U 63/00, ZWE 2001, 164; LG München I, Urt. v. 11.2.2011 – 25 O 12665/10, IMR 2011, 304; Bärmann/ Merle, WEG, 14. Aufl. 2018, § 24 Rn. 139 a.E.).

Schließlich bestehen in Wohnungseigentümergemeinschaften grundsätzlich und unvermeidbar Interessengegensätze und Meinungsverschiedenheiten, die auch durchaus pointiert ausgetragen werden dürfen, soweit es sich um eine Auseinandersetzung um einen konkreten Sachverhalt handelt (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 2.3.2001 – 2Z BR 16/01, ZMR 2001, 720; AG Saarbrücken, Urt. v. 2.12.2016 - 42 C 182/16, ZMR 2018, 282).

 

Im Beispielsfall ging das Gericht davon aus, dass es sich zwar um eine scharf formulierte Meinungsäußerung mit wertender Tendenz handele, die aber keine erhebliche Ehrverletzung beinhalte, da sie im sachlichen Zusammenhang mit dem in der Versammlung erörterten Sachverhalt stehe. Ferner fehle die notwendige „Prangerwirkung“, da es sich um eine nicht-öffentliche Versammlung gehandelt habe und der Inhalt des Protokolls auch nur den Eigentümern und dem Verwalter zugänglich sei (vgl.: AG Ratingen, Urt. v. 12.5.2021 – 8 C 373/20, ZMR 2021, 692).

 

3. Durchsetzung des Anspruchs auf Protokollberichtigung

   

a) Pflicht zur außergerichtlichen Geltendmachung

Besteht ein zu korrigierender Fehler der Niederschrift, so ist zu beachten, dass der Anspruch auf Protokollberichtigung zunächst außergerichtlich geltend zu machen ist und erst bei Verstreichen einer zu setzenden Frist oder bei eindeutiger und endgültiger Ablehnung der Berichtigung gerichtlich durgesetzt werden kann.

 

Ferner kommt eine gerichtliche Durchsetzung nicht mehr in Frage, wenn die Fehler sich durch Zeitablauf erledigt haben, was insbesondere bei einer angeblichen Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten durch längeres Zuwarten mit einem Vorgehen (ca. 1 Jahr) anzunehmen ist (vgl.: OLG Karlsruhe, Urt. v. 3.4.2003 – 19 U 168/02, NJW-RR 2004, 917; AG Ratingen, Urt. v. 12.5.2021 – 8 C 373/20, ZMR 2021, 692; AG München, Urt. v. 20.10.2016 – 213 C 10547/16, ZMR 2018, 84; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl. 2019, § 24 Rn. 158).

 

b) Der richtige Anspruchsgegner

Nach der bis zum 30.11.2020 geltenden Rechtslage stand der Anspruch auf Protokollberichtigung jedem Wohnungseigentümer aus § 21 Abs. 4 WEG a.F. individuell zu.

Dabei waren auf Berichtigung des Protokolls nach h.M. sämtliche für die Richtigkeit des Protokolls Unterzeichnenden persönlich in Anspruch zu nehmen, denn nur diese haben das Recht (und die Pflicht), Fehler der Niederschrift zu berichtigen, dies allerdings nur gemeinsam (vgl.: BayObLG, Beschl. v. 12.9.2002 - 2Z BR 28/02, ZMR 2002, 951; LG München I, Urt. v. 20.10.2016 – 213 C 10547/16, ZMR 2018, 84; AG Paderborn, Urt. v. 4.10.2017 - 52 C 8/17, ZMR 2018, 635).

 

Dies hat sich mit Inkrafttreten des WEMoG mit Wirkung ab dem 1.12.2020 grundlegend geändert.

Eine gegen den Verwalter als Versammlungsleiter sowie gegen die übrigen das Protokoll unterzeichnenden Eigentümer erhobene Klage ist bereits mangels Aktiv-Legitimation unzulässig.

Da gem. § 18 Abs. 1 WEG die Verwaltung der Gemeinschaft obliegt, bestehen seit dem 1.12.2020 keine unmittelbaren Ansprüche des einzelnen Eigentümers gegenüber dem Verwalter oder anderen Eigentümern im Zusammenhang mit der ordnungsmäßigen Verwaltung des Gemeinschaftseigentums.

Solche Ansprüche können gem. § 9a Abs. 2 WEG nur noch von der Gemeinschaft wahrgenommen werden.

 

Die Klage ist aber ebenso mangels Passiv-Legitimation abzuweisen, da seit dem 1.12.2020 nur noch die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erfüllung der dieser obliegenden Aufgaben gem. § 18 Abs. 1 WEG im Rahmen der ordnungsmäßiger Verwaltung tätig wird.

Ein etwaiger Anspruch auf Korrektur des Protokolls richtet sich ab dem 1.12.2020 gem. § 18 Abs. 2 WEG nur noch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft.

 

Es ist nach dem Grundsatz der Vorbefassung der Eigentümerversammlung Aufgabe des Anspruchstellers, anlässlich einer Eigentümerversammlung zu beantragen, dass ein Beschluss gefasst werden soll, die für die Protokollberichtigung Verantwortlichen entsprechend anzuweisen und diesen Anspruch erforderlichenfalls durch die WEG gerichtlich durchzusetzen.

Einen ablehnenden Beschluss kann der Anspruchsteller dann anfechten und Beschlussersetzungsklage gem. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG erheben (vgl.: AG Ratingen, Urt. v. 12.5.2021 – 8 C 373/20, ZMR 2021, 692; AG Hannover, Urt. v. 16.12.2020 - 483 C 634/20, ZMR 2021, 157).

 

4. Fazit

 

Die Durchsetzung eines vermeintlichen Anspruchs auf Protokollberichtigung ist von einer Vielzahl zuvor zu bedenkender Faktoren abhängig.

Zudem ist zu berücksichtigen, dass eine Anspruchsdurchsetzung nur noch über die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zulässig ist; zugegebenermaßen ein Verfahren, dass dem betroffenen Eigentümer einen langen Atem abverlangt.

Dies hat der Gesetzgeber zwecks Verringerung der hohen Anzahl der bis dato zu verzeichnenden wohnungseigentumsgerichtlichen Streitigkeiten allerdings billigend in Kauf genommen.