Jahresabrechnung und Vermögensbericht - Die sich aus dem neuen Recht ergebenden Änderungen

1. Die Jahresabrechnung – neu gedacht

 

Die Vorschriften des Wohnungseigentumsrechts zur Jahresabrechnung haben mit Inkrafttreten des WEMoG zum 1.12.2020 eine durchgreifende Änderung erfahren.

Dies beruht auf einem gegenüber dem bisherigen Recht anders strukturierten Verständnis von Sinn  und Zweck der Jahresabrechnung.

2. Gegenstand der Beschlussfassung

 

a) Bisherige Rechtslage

Nach dem bis zum 30.11.2020 geltenden WEG war die Jahresabrechnung gem. § 28 Abs. 5 WEG a.F. durch Beschluss der Eigentümerversammlung zu genehmigen.

Der Beschlussgegenstand war dabei äußerst umfassend:

Die Jahresabrechnung hatte dabei aus der Jahresgesamtabrechnung zu bestehen, die die sämtlichen im Abrechnungszeitraum getätigten Einnahmen und Ausgaben anzugeben hatte. Im Rahmen der jeweils zu erstellenden Jahreseinzelabrechnungen waren die Einnahmen und Ausgaben sodann unter Anwendung der vereinbarten oder beschlossenen Kostenverteilerschlüssel auf die einzelnen Einheiten umzulegen. Das positive oder negative Abrechnungsergebnis war sodann anhand der Differenz zwischen den abgerechneten Kostenanteil und den beschlossenen Soll-Hausgeldvorauszahlungen gemäß dem Wirtschaftsplan zu ermitteln.

Einen unverzichtbaren weiteren Bestandteil der Jahresabrechnung stellte die Bankkontenentwicklung dar, die die Anfangs- und Endbestände der Konten der Gemeinschaft unter Angabe der getätigten Soll- und Habenumsätze auszuweisen hatte.

Ferner war wesentlicher Bestandteil der Jahresabrechnung die Darstellung der Entwicklung der sog. Instandsetzungsrückstellung unter Angabe der Ist- und Sollumsätze sowie Anfangs- und Endbestände.

 

b) Neue Rechtslage

Gemäß der ab dem 1.12.2020 geltenden Neufassung des § 28 Abs. 2 S. 1 WEG gilt, dass die Eigentümer nach Ablauf des Kalenderjahres über die die Einforderung von Nachschüssen oder die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse beschließen.

Zu diesem Zweck hat der Verwalter gem. § 28 Abs. 2 S. 2 WEG eine Abrechnung über den Wirtschaftsplan (Jahresabrechnung) aufzustellen, die darüber hinaus die Einnahmen und Ausgaben enthält.

Damit hat sich der Gegenstand der Beschlussfassung grundlegend verändert.

 

Beispiel 1:

Verwalter V lässt in der Eigentümerversammlung am 26.8.2021 über die Jahresabrechnung 2020 Beschluss wie folgt fassen:

„ Die Eigentümerversammlung genehmigt die von der Verwaltung mit Druckdatum

  vom […] vorgelegte Jahresgesamtabrechnung 2020 mit einem Ausgabenvolumen

  von […] EUR nebst der Darstellung der Instandhaltungsrücklage sowie die vorgeleg-

  ten Jahreseinzelabrechnungen 2020 mit den dort ausgewiesenen Kostenverteiler-

  schlüsseln.“


Soweit über die Jahresabrechnung Beschluss gefasst wird, ist ein solcher Beschluss nichtig, denn insoweit fehlt gem. § 28 Abs. 2 S. 1 WEG die Beschlusskompetenz.

 

Beispiel 2:

Verwalter V lässt in der Eigentümerversammlung am 26.8.2021 über die Jahresabrechnung 2020 Beschluss wie folgt fassen:

„Die Eigentümerversammlung beschließt die sich aus den von der Verwaltung mit

  Druckdatum vom […] vorgelegten Jahreseinzelabrechnungen für 2020 jeweils er-

  gebenden Nachschüsse bzw. die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse für

  den Wirtschaftszeitraum 2020.“


Gegenstand der Beschlussfassung gem. § 28 Abs. 2 S. 1 WEG ist nur noch die Einforderung der Nachschüsse bzw. Anpassung der beschlossenen Vorschüsse und nicht mehr das Abrechnungswerk selbst.

Dieses ist zwar vom Verwalter vorzulegen, dient aber nur der Beschlussvorbereitung (vgl.: AG Mettmann, Urt. v. 16.4.2021 – 26 C 1/21, ZMR 2021, 687).

 

3. Relevante Abrechnungsfehler

 

a) Bisherige Rechtslage

Nach dem bis zum 30.11.2020 geltenden WEG konnte die Rechtmäßigkeit einer Jahresabrechnung bereits im Wege einer bloßen Plausibilitätsrechnung geprüft werden, wobei sich allerdings aus der Kompliziertheit der von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen (man denke nur an die Abrechnung der nach der Heizkostenverordnung zwingend abzugrenzenden Heiz- und Warmwasserkosten bei gleichzeitigem Abgrenzungsverbot der wohnungseigentumsrechtlichen Rechtsprechung) regelmäßig ergab, dass sich die Plausibilität der Abrechnung nur unter erheblichem Erläuterungsaufwand herstellen ließ.

 

So sollte das Abrechnungswerk nach bisheriger Rechtslage bereits dann als unschlüssig zu verwerfen sein, wenn die Anfangs-Kontenstände zuzüglich der abgerechneten Einnahmen und abzüglich der abgerechneten Ausgaben nicht die End-Kontenstände der Bankkontenentwicklung ergaben oder die Darstellung der Entwicklung der Instandsetzungsrückstellung nicht mit der Bankkontenetwicklung übereinstimmte (vgl.: BGH, Urt. v. 4.12.2009 - V ZR 44/09, ZMR 2010, 300; KG, Beschl. v. 26.9.2007 – 24 W 183/06, ZMR 2008, 67; LG Frankfurt, Urt. v. 8.3.2016 – 2-09 S 99/14, ZWE 2016, 332; LG München I, Urt. v. 8.10.2015 – 36 S 16283/14, ZWE 2016, 182).

 

b) Neue Rechtslage

Gemäß der ab dem 1.12.2020 geltenden Neufassung des § 28 Abs. 2 S. 1 WEG gilt, dass solche Mängel des Abrechnungswerks keine Rolle mehr spielen.

 

Beispiel 3:

Verwalter V lässt in der Eigentümerversammlung am 26.8.2021 über die Jahresabrechnung 2020 Beschluss wie folgt fassen:

„Die Eigentümerversammlung beschließt die sich aus den von der Verwaltung mit

  Druckdatum vom […] vorgelegten Jahreseinzelabrechnungen für 2020 jeweils er-

  gebenden Nachschüsse bzw. die Anpassung der beschlossenen Vorschüsse für

  den Wirtschaftszeitraum 2020.“

 

Eigentümer E erhebt Beschlussanfechtungsklage, da seiner Meinung nach die Jahresabrechnung nicht „schlüssig“ ist, weil die Bankkontenentwicklung unter Berücksichtigung der abgerechneten Einnahmen und Ausgaben nicht plausibel ist und zudem die angegebenen Konto-Endbestände niedriger sind, als der Bestand der ausgewiesenen Ist-Rücklage.


 

Da im Rahmen des § 28 Abs. 2 S. 1 WEG nur über die Einforderung der Nachschüsse sowie der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse Beschluss gefasst wird, kann der Beschluss hierüber nur noch mit der Begründung angefochten werden, dass Fehler des Abrechnungswerks vorliegen, die Einfluss auf die konkrete Höhe der beschlossenen Soll-Abrechnungsspitzen (z.B.: Abgrenzungen, fehlerhafte Verteilerschlüssel) haben (vgl.: AG Kaiserslautern, Urt. v. 16.4.2021 – 5 C 39/20, ZMR 2021, 686; AG Mettmann, Urt. v. 16.4.2021 – 26 C 1/21, ZMR 2021, 687).

 

Die sog. Schlüssigkeitskontrolle spielt dabei keine Rolle mehr, da die Bankkontenentwicklung und die Darstellung der Entwicklung der Erhaltungsrücklage ausdrücklich nicht mehr Gegenstand der Jahresabrechnung sind, sondern im Rahmen des gem. § 28 Abs. 4 WEG vom Verwalter separat aufzustellenden und den Eigentümern zur Kenntnis zu bringenden Vermögensberichts sind.

Dieser enthält daneben Angaben zu etwaigen Darlehen der Gemeinschaft oder zu sonstigen Forderungen wie insbesondere Hausgeldrückständen. Anzugeben ist ferner der Ölbestand zum Ende des Abrechnungszeitraums.

Mängel des Vermögensberichts spielen für die Jahresabrechnung somit keine Rolle, da über diesen gem. § 28 Abs. 4 WEG kein Beschluss gefasst wird.

 

4. Durchsetzung des Anspruchs auf Vorlage einer Jahresabrechnung

 

a) Der richtige Anspruchsgegner

Nach der bisherigen Rechtslage stand jedem Wohnungseigentümer aus § 21 Abs. 4 WEG a.F. ein unmittelbar gegen den Verwalter gerichteter Anspruch auf Erstellung einer bisher nicht vorliegenden bzw. auf Korrektur einer fehlerhaften Jahresabrechnung zu.

Dies hat sich mit Inkrafttreten des WEMoG ab dem 1.12.2020 ebenfalls grundlegend geändert.

 

Beispiel 4:

Eigentümer E erhebt, nachdem Verwalter V die Jahresabrechnung 2019 trotz mehrfacher Aufforderung immer noch nicht erstellt und vorgelegt hat, am 26.8.2021 Klage gegen den V auf Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung 2019.


Da sich der Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen der ordnungsmäßigen Verwaltung seit dem 1.12.2020 gem. § 18 WEG nur noch gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft richtet, kann die Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung nicht mehr vom Verwalter, sondern nur noch von der Gemeinschaft verlangt werden (vgl.: AG Hannover, Urt. v. 22.3.2021 – 483 C 13214/20, ZMR 2021, 522).

 

b) Die richtige Vollstreckung

Auch die Vollstreckung des Anspruchs auf Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung hat sich gewandelt.

 

Beispiel 5:

Nachdem Verwalter V die Jahresabrechnung 2019 trotz mehrfacher Aufforderung immer noch nicht erstellt und vorgelegt hat, erhebt die Gemeinschaft Klage gegen den V auf Erstellung und Vorlage der Jahresabrechnung 2019 – und gewinnt.

 

Da V immer noch nicht liefert, beantragt die Gemeinschaft bei Gericht, sie zur Ersatzvornahme auf Kosten des V zu ermächtigen und dem V aufzugeben, den hierfür nötigen Betrag i.H.v. 2.000,00 EUR an den hiermit zu beauftragenden neuen Verwalter N zu zahlen.

Die Verurteilung des Verwalters einer Wohnungseigentümergemeinschaft zur Erstellung einer Jahresabrechnung für einen Wirtschaftszeitraum, in dem er selbst die Verwaltung  geführt hat, konnte nach bisheriger Rechtsprechung als sog. nicht-vertretbare Handlung gem. § 888 ZPO nur durch die Beantragung der Verhängung eines Zwangsgelds vollstreckt werden (vgl.: BGH, Beschl. v. 23.6.2016 - I ZB 5/16, ZMR 2016, 972).

   

Nach neuem Recht gilt aber:

Soll der Verwalter die Jahresabrechnung nur vorlegen, um den Wohnungseigentümern die Beschlussfassung über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung von Vorschüssen zu ermöglichen, und wird deshalb nur die Erstellung des Zahlenwerks verlangt, ist die Aufstellung der Jahresabrechnung eine vertretbare Handlung, auf die § 637 Abs. 3 BGB anzuwenden ist und die im Wege der Ersatzvornahme gem. § 887 ZPO vollstreckt werden kann (vgl.: BGH, Beschl. v. 23.6.2016 - I ZB 5/16, ZMR 2016, 972).

 

5. Fazit

 

Die Durchsetzung des Anspruchs auf Vorlage einer „korrekten“ Jahresabrechnung sowie die Möglichkeit der Anfechtung der Jahresabrechnung ist nach der neuen Rechtslage wesentlich schwieriger geworden, da zum einen wesentliche Abrechnungsbestandteile in den sog. Vermögensbericht „ausgelagert“ wurden und zudem eine Anspruchsverfolgung über die Gemeinschaft zu erfolgen hat.

Dies hat der Gesetzgeber zwecks Verringerung der hohen Anzahl der bis dato zu verzeichnenden wohnungseigentumsgerichtlichen Streitigkeiten über Jahresabrechnungen aber ausdrücklich als eines der Ziele der WEG-Reform im Sinne der Entlastung der Justiz bezeichnet.