Reden ist Silber…

Die Eigentümerversammlung wird nicht zu Unrecht als der „wichtigste Tag im Jahr“ für den Wohnungseigentümer bezeichnet. Denn in der Versammlung werden durch Beschlüsse die Weichen für das kommende Jahr gestellt.

Dabei steht jedem Eigentümer nicht nur ein Teilnahme-, ein Vorschlags- und Stimmrecht, sondern auch ein Rederecht zu.

Leider ist es jedoch manchmal so, dass Anzahl und Dauer der Wortbeiträge einzelner Eigentümer nicht in einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Wichtigkeit des Inhalts ihrer Redebeiträge zu bringen sind.

Wie man in der Eigentümerversammlung mit solch nervigen Eigentümern umgeht, hat das AG Offenbach aufgezeigt (Urt. v. 23.5.2016 – 320 C 9/16).

1. Der Fall

In der Versammlung einer großen Eigentümergemeinschaft mit 600 Mitgliedern stehen wichtige Entscheidungen zur Beschlussfassung an. Als über einen besonders wichtigen Tagesordnungspunkt beraten wird, ergreift Wohnungseigentümer Quassel ungefragt das Wort und macht weitschweifige Ausführungen zu einem vorhergehenden, längst erledigten Tagesordnungspunkt. Der Verwalter als Versammlungsleiter weist ich hierauf hin sowie darauf, dass er ihm nicht das Wort erteilt habe. Gleichwohl setzt Q seine Ausführungen unbeirrt, nur mit erheblicher Laustärke, fort. Dem Q wird durch Beschluss das Wort entzogen und er wird abgemahnt. Da Q sich unbeeindruckt zeigt und nunmehr Ausfälligkeiten gegen Beirat und Verwalter in seinen Redeschwall einflicht, droht der Versammlungsleiter dem Q den Ausschluss aus der Eigentümerversammlung an. Schließlich wird Q trotz erheblicher Gegenwehr von einem privaten Sicherheitsdienst aus dem Saal geschafft.

Q ficht wegen rechtswidrigen Ausschlusses aus der Versammlung sämtliche Beschlüsse vor Gericht an.

2. Das Problem

Das Recht des einzelnen Eigentümers an der Teilhabe am Entscheidungsfindungsprozess in der Eigentümerversammlung gehört zum sog. Kernbereich des Wohnungseigentums und ist grundsätzlich unentziehbar (vgl.: BGH v. 10.12.2010 - V ZR 60/10).

Was geschieht nun, wenn ein Eigentümer sich derart ungebührlich verhält, dass ein geordneter Versammlungsablauf gefährdet ist?

3. Die Entscheidung des AG Offenbach

Dem AG Offenbach ist Recht zugeben, soweit der Versammlungsausschluss stets nur das letzte Mittel des Disziplinierung sein kann.

Denn es ist zu beachten, dass der Ausschluss aus der Versammlung nur das finale, letzte Mittel sein darf, wenn alle übrigen Mittel zur Disziplinierung des Störers versagen.

So ist der Störer zunächst wegen seines Verhaltens abzumahnen und kann erst bei wiederholtem Verstoß aus dem Saal entfernt werden. Auch muss der Störer tatsächlich einen geordneten weiteren Versammlungsablauf unmöglich machen oder erheblich beeinträchtigen.

Im entschiedenen Fall meinte das AG Offenbach jedoch, man habe dem Q Gelegenheit geben müssen, sich zu beruhigen und sodann später weiter an der Versammlung teilzunehmen.

Dies ist ersichtlich falsch, zumal man sich fragen muss, was man sich wohl im Gerichtssaal des Amtsrichters, der hier entschied, herausnehmen darf…

Nicht nur der querulatorisch veranlagte Eigentümer hat Rechte, diese stehen den übrigen Eigentümern ebenso zu. Diese haben einen Anspruch darauf, ungestört diskutieren und ihre Entscheidungen in einer angenehmen, nicht konfliktgeladenen Atmosphäre zu treffen.

4. Fazit

Gut beraten sind Eigentümer, die mit solchen Miteigentümern „gesegnet“ sind, bereits prophylaktisch Verhaltensregeln für die Versammlung zu beschließen, damit von vornherein die Spielregeln klargestellt sind. Durch sog. Organisationsbeschlüsse lassen sich angemessene Redezeitbegrenzungen einführen. Auch sollte der Verwalter als Versammlungsleiter nicht selbstherrlich Versammlungsausschlüsse „verfügen“, sondern stets einen Mehrheitsbeschluss der Eigentümerversammlung herbeiführen.