Wer bezahlt den Ersatzzustellungsbevollmächtigten?
Wer mit einem Beschluss der Eigentümerversammlung nicht einverstanden ist, dem steht die Möglichkeit zur Erhebung der Beschlussanfechtungsklage offen. Da diese aber gegen sämtliche übrigen Wohnungseigentümer zu richten ist, stellt sich für den Kläger die Frage, wem die Klage nun zuzustellen ist.
Etwa allen anderen Eigentümern? Gerade bei größeren Anlagen und einer entsprechend großen Anzahl von Beklagten würde dies dazu führen, dass u.U. Hunderte von Klageausfertigungen einzureichen wären und das Gericht Hunderte von Zustellungen zu bewirken hätte. Daher regelt das Wohnungseigentumsgesetz, dass zwecks Vereinfachung des Verfahrens sowie zur Kosteneinsparung der Verwalter der Zustellungsbevollmächtigte der übrigen beklagten Eigentümer ist. Was aber, wenn der Verwalter im Ausnahmefall nicht als Zustellungsbevollmächtigter dienen kann oder ein Verwalter gar fehlt? In diesem Fall übernimmt ein sog. Ersatzzustellungsbevollmächtigter die Aufgaben des Verwalters.
Nur – wer erstattet dem Ersatzzustellungsbevollmächtigten seine Kosten?
Hierzu hat der Bundesgerichtshof nun in einer Grundsatzentscheidung (BGH, Beschl. v. 11.5.2017 – V ZB 52/15) Stellung bezogen.
1. Der Fall
Eigentümer Streitbar ist Mitglied einer großen Wohnungseigentümergemeinschaft. Da er mit dem Beschluss der letzten Eigentümerversammlung über die Bestellung des Verwalters und der Genehmigung dessen Verwaltervertrags nicht einverstanden ist, erhebt er fristgerecht beim zuständigen Amtsgericht Beschlussanfechtungsklage.
Das Gericht ist dabei der Auffassung, dass der Verwalter in diesem Fall befangen ist und verfügt, dass dem Ersatzzustellungsbevollmächtigten der Wohnungseigentümergemeinschaft die Klageschrift zugestellt wird. Dies ist der Vorsitzende des Verwaltungsbeirats, Herr Selbstlos, welcher nun zur Unterrichtung der übrigen Eigentümer Kopien der Klageschrift fertigt und jedem Eigentümer zuschickt. Hierfür muss Herr Selbstlos an Kopier- und Portokosten über 1.300,00 EUR aufwenden.
Nachdem Eigentümer Streitbar den Prozess verliert, urteilt das Gericht, dass Streitbar die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Streitbar weigert sich nun, auch die dem Ersatzzustellungsbevollmächtigten entstandenen Kosten zu erstatten und erhebt gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Gerichts Beschwerde.
2. Das Problem
Grundsätzlich ist der Verwalter der Zustellungsbevollmächtigte der beklagten Eigentümer im Beschlussanfechtungsprozess (§ 45 Abs. 1 WEG). An ihn wird die Klage zugestellt und der Verwalter hat sodann die Pflicht, sämtliche beklagten Eigentümer entsprechend zu informieren (§ 27 Abs. 1 Nr. 7 WEG).
a)
Ist der Verwalter vom Streitgegenstand der Klage jedoch selbst betroffen, also „befangen“, was im Falle der Anfechtung seiner Bestellung und der Anfechtung des Beschlusses über den Abschluss des Verwaltervertrags anzunehmen ist, scheidet er als Zustellungsbevollmächtigter aus.
Für solche Fälle haben die Wohnungseigentümer gem. § 45 Abs. 2 WEG einen sog. Ersatzzustellungsbevollmächtigten (und dessen Vertreter) durch Beschluss zu bestimmen. Regelmäßig stellen sich die Mitglieder des Verwaltungsbeirats hierfür zur Verfügung. Da der Ersatzzustellungsbevollmächtigte nun die Aufgaben des Verwalters übernimmt, muss er auch die Eigentümer über den Rechtsstreit informieren.
Fraglich ist nun, auf welchem Wege der Ersatzzustellungsbevollmächtigte die ihm entstehenden (bei größeren Gemeinschaften durchaus nicht unerheblichen) Kopier- und Portoauslagen erstattet erhält.
b)
Der einfachste Weg, um an die Auslagenerstattung zu gelangen, wäre nun, sich auf die Kostenentscheidung des Gerichts zu berufen, wonach der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass im Anschluss an den Prozess die Beteiligten die ihnen entstandenen Prozesskosten bei Gericht im Rahmen eines sog. Kostenfestsetzungsverfahrens anmelden können. Hierauf ergeht ein sog. Kostenfestsetzungsbeschluss, der als Vollstreckungstitel gegenüber dem im Prozess zur Kostentragung Verurteilten gilt und so dafür sorgt, dass die Kosten mit Blick auf die ansonsten drohende Zwangsvollstreckung üblicherweise zügig gezahlt werden.
c)
Dagegen spricht aber, dass zu den „Kosten des Rechtsstreits“ nur die angefallenen Gerichtskosten, die Anwaltsvergütungen und die Auslagen für Sachverständige sowie Zeugenentschädigungen gerechnet werden. Die dem Beiratsvorsitzenden als Ersatzzustellungsvertreter entstandenen Auslagen fallen aber nicht unter diese Definition.
Für die Festsetzungsfähigkeit der Unterrichtungsauslagen im Rahmen der Prozesskostenerstattung spricht indes, dass ohne die Tätigkeit des Ersatzzustellungsbevollmächtigten keine ordnungsmäßige Zustellung der Klageschrift und Unterrichtung der Beklagten erfolgen kann, es sich also um Kosten handelt, die dem o.g. Kostenbegriff zuzurechnen sind.
3. Der Beschluss des BGH
Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass die Auslagen des Ersatzzustellungsbevollmächtigten nicht zu den im Rahmen des gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähigen Kosten gehören.
Dabei stützt sich der BGH auf eine frühere Entscheidung, in welcher er ausgesprochen hatte, dass es sich bei den beim Verwalter entstehenden Kosten ebenfalls nicht um Prozesskosten handele.
Die aufgewendeten Unterrichtungskosten gehören nach Auffassung des BGH zu den Kosten der „internen“ Verwaltung der Wohnungseigentümergemeinschaft, müssen demnach vom Ersatzzustellungsvertreter der Gemeinschaft gegenüber geltend gemacht und von dieser als Auslagenersatz erstattet werden.
4. Fazit
Formaljuristisch mag der BGH im Recht sein, für die Verwaltungspraxis sind es die üblichen „Steine statt Brot“.
Hinzu kommt, dass sich weiteres Streitpotential eröffnet. Erstattet die Wohnungseigentümergemeinschaft dem Ersatzzustellungsbevollmächtigten die ihm entstandenen Auslagen als Verwaltungskosten, so müssen diese Kosten im Rahmen der Jahresabrechnung verteilt werden. Dabei werden die (obsiegenden) beklagten Eigentümer kaum Verständnis dafür aufbringen, dass ihnen die vom unterlegenen Kläger verursachten Unterrichtungskosten nach Miteigentumsanteilen berechnet werden.
Einen Ausweg bietet hier die Rechtsauffassung, wonach die Eigentümer durch Vorratsbeschluss gem. § 21 Abs. 7 WEG über eine abweichende Verteilung besonderen Verwaltungsaufwands beschließen und dadurch die Kostenverteilung ändern können (vgl.: LG Dortmund, Urt. v. 19.4.2016 - 1 S 437/15; LG Gera, Urt. v. 23.2.2016 – 5 S 225/15).