Zustimmung zu baulichen Veränderungen – nur durch Beschluss?

Gem. § 22 Abs. 1 WEG können bauliche Veränderungen verlangt und auch beschlossen werden, wenn sämtliche über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtigen Wohnungseigentümer zustimmen.

Dabei regelt § 14 Nr. 1 WEG, dass nur solche Beeinträchtigungen hinzunehmen sind, die im Rahmen eines geordneten Zusammenlebens in einem Mehrfamilienhaus unvermeidbar sind. Daher ist jeder Wohnungseigentümer, der eine in diesem Sinne „störende“ bauliche Veränderung vornehmen möchte, gut beraten, den direkten persönlichen Kontakt mit seinen Miteigentümern zu suchen und diese davon zu überzeugen, der Maßnahme zuzustimmen. Gelingt dies, lässt der betreffende Eigentümer sich vielfach schriftlich bestätigen, dass die anderen Eigentümer mit der Maßnahme einverstanden sind.

Ob dies als Zustimmung zu einer baulichen Veränderung ausreicht, hat der BGH aktuell untersuchen müssen (Urt. v. 6.7.2018, Az.: 221/17).

 

Der Fall:

Verwalter V veranlasst am 2.3. einen Umlaufbeschluss, in dem er die Eigentümer um schriftliche Zustimmung zu einer von Miteigentümer E gewünschten baulichen Veränderung bittet.

Alle Eigentümer mit Ausnahme des Q, der seine Nein-Stimme aber mit Schreiben vom 12.3. „zurückzieht“, stimmen zu. V teilt daraufhin am 15.3. allen Eigentümern mit, dass er den Beschluss als zustande gekommen ansehe, wenn dem nicht bis zum Ablaufe des 24.3. widersprochen werde, was nicht geschieht. E führt daraufhin die bauliche Veränderung durch und wird nun von den anderen Eigentümern auf Rückbau verklagt.

 

Das Problem:

Die auf Beseitigung der baulichen Veränderung gerichtete Klage wäre ohne weiteres abweisungsreif, wenn durch das von Verwalter V veranlasste schriftliche Beschlussverfahren dem E eine wirksame Genehmigung erteilt wurde. Hierzu hat der BGH in derselben Entscheidung aber festgestellt, dass mangels ordnungsmäßiger Verkündung des Zustandekommens kein wirksamer Genehmigungsbeschluss existiert. Gleichwohl liegt aber, wenn auch verspätet, eine Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer schriftlich vor.

Ob die gem. § 22 Abs. 1 WEG notwendige Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer auch außerhalb eines formellen Beschlussverfahrens erteilt werden kann, ist indes heftig umstritten und wurde durch den BGH bis dato nicht entschieden. Die überwiegende Auffassung der Gerichte tendiert dahin, dass die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung ausschließlich im Rahmen eines Beschlussverfahrens erteilt werden kann; außerhalb dieses formellen Verfahrens ausgesprochene Genehmigungen seien wirkungslos (vgl.: LG München I, Urt. v. 6.7.2015 - 1 S 22070/14 WEG; LG Hamburg, Urt. v. 16.1.2013 - 318 S 111/05).

 

Die Entscheidung des BGH:

Der BGH lässt die Entscheidung dieser Frage wiederum offen, gleichwohl wird die Rückbauklage der übrigen Eigentümer in letzter Instanz zurückgewiesen. Obgleich ein wirksamer Beschluss über die Genehmigung der baulichen Veränderung nicht zustande gekommen ist, können die übrigen klagenden Wohnungseigentümer deren Rückbau nicht verlangen.

Nach Auffassung des BGH verstößt die Rückbauklage unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens gegen Treu und Glauben. Dadurch dass, wenn auch nicht den formellen Anforderungen genügend, die Zustimmung sämtlicher übrigen Eigentümer vorlag, haben diese (auch) durch das Unterlassen eines Wider-spruchs einen Vertrauenstatbestand zu Gunsten des betroffenen Eigentümers geschaffen.

 

Praxis-Tipp:

Ungeachtet der vom BGH im vorliegenden (Einzel-)Fall gewählten Lösung des Formproblems über § 242 BGB (Treu und Glauben) ist dem Verwalter zu raten, immer einen Beschluss herbeizuführen. Denn die von einem Miteigentümer formlos erteilte Zustimmung bindet nur diesen und wird im Falle der Veräußerung wertlos. Nur Beschlüsse binden gem. § 10 Abs. 4 S. 1 WEG auch den Sonderrechtsnachfolger.